Sprache kann verzaubern

Eine professionelle Märchenerzählerin faszinierte unsere Sechstklässler.

Gibt es denn in Deutschland professionelle Märchenerzählerinnen? Ja! Und es ist bereits zur schönen Tradition an unserer Schule geworden, dass eine von ihnen unsere Fünftklässler ins Reich der Prinzen, Prinzessinnen und sprechenden Tiere mitnimmt: Simone Wanzek-Weber aus München war im letzten Schuljahr so ausgebucht, dass unsere Sechstklässler gleich zu Beginn dieses Schuljahres in den Genuss ihrer Vorführung kamen.

Unsere Schüler erlebten: Worte können verzaubern, einen tief berühren, Wegweiser sein, einen in frühere Zeiten und ferne Länder tragen. Das können aufgeschriebene Worte. Noch viel mehr jedoch vermögen uns gesprochene Worte in ihren Bann zu ziehen.

Im Mehrzweckraum baute die Künstlerin ihre märchenhafte Kulisse auf. Dort gab ihre facettenreiche, tragende Stimme unserer Phantasie Flügel. Mit außergewöhnlichen Musikinstrumenten und einer Vielzahl an Requisiten untermalte sie ihren eigenen Vortrag: Die Kinder durften die Rezitation eines längeren Märchens der Gebrüder Grimm erleben: „Das Erdmännchen“. Was passiert, wenn Töchter sich den Wünschen des Vaters widersetzen, weil sie ihren eigenen Weg gehen wollen?

Drei Königstöchter essen vom liebsten Apfelbaum des Vaters, obwohl dies allen im Königreich streng verboten ist. Dafür müssen sie Verantwortung übernehmen und Schwierigkeiten in Kauf nehmen. Aber drei Brüder finden die im wahrsten Sinne des Wortes vom Erdboden verschluckten Königskinder. Der Jüngste und Ehrlichste unter ihnen rettet sie vor einem siebenköpfigen Drachen aus dem unterirdischen Reich der Erdmännchen. Diese belohnen die Ehrlichkeit des jüngsten Bruders, indem sie ihn vor der Heimtücke der eigenen Brüder warnen, sodass er deren Lügen aufdecken und die Prinzessinnen vor Intrigen bewahren kann. Die hinterlistigen Brüder werden bestraft, das Gute, Ehrlichkeit und Mut werden belohnt. Wie ermutigend und inspirierend für alle Zuhörer!

Die Schüler erlebten aber auch ganz konkret, wie es sich angefühlt haben mag, als Märchen noch mündlich weitergegeben wurden – in einer Zeit ohne Fernsehen und Internet. Eine Handlung von symbolischer Tiefe, vorgetragen von einer Stimme, die mal laut, mal leise, mal langsam, mal schnell, mal bedrohlich, mal besänftigend klingt – begleitet von ausdrucksstarker Körpersprache – eine bessere Unterhaltung ist kaum vorstellbar. Echte Profis brauchen dafür nur ihre Stimme!

Text: A. Goller   Bilder: S. Bosl